permanent breakfast Kunsthalle Wien
photo: Alexander Danner
Entstehung und Idee
Am Morgen des 1. Mai 1996 begann eine Künstlergruppe um Friedemann Derschmidt, öffentliche Räume zu befrühstücken und hörte nicht mehr auf damit. Die Grundidee: Eine Person lädt zum Frühstück. Die geladenen Personen (in der Regel vier an der Zahl) verpflichten sich, am nächsten Tag (oder zum nächsten ihnen möglichen Zeitpunkt) jeweils ein weiteres öffentliches Frühstück abzuhalten, dessen Gäste wiederum ehebaldigst frühstücken und so fort.
Der öffentliche Raum verändert sich, wird er befrühstückt, merklich nach den Bedürfnissen der Frühstückenden. Die Frühstückenden beginnen ohne viel Zutun, allein durch ihre Anwesenheit mit dem Umraum zu kommunizieren, ihr eigenes Medium zu sein, Platz zu greifen, Raum zu nehmen, ihn buchstäblich zu besitzen und ihn bloß durch sich selbst oder aber auch mit einem Anliegen zu besetzen. Es wird kundgetan, weitererzählt, wiedergefrühstückt. Das Spiel geht weiter, solange jemand den Faden aufnimmt.
Tatsächlich wurde das öffentliche Frühstücken mehr und mehr Kult, konnten immer öfter Menschen beobachtet werden, die sich – auf Plätzen und in Parks, in leeren Springbrunnen und in freien Parklücken – um einen gepflegten Frühstückstisch versammelten, oder ihr Tun als surreale Inszenierungen begriffen. Wovon neben der Vielzahl von mündlich überlieferten Frühstücken hunderte von postalischen Rückmeldungen nebst Foto (u.a. von Frühstückern aus Berlin, Buenos Aires, Kopenhagen, Beirut und New York) zeugen.
Es wird genutzt von freien Gruppen, BürgerInneninitiativen, religiösen Gemeinschaften, Seminaren der Universität, Tourismusverbänden, Familien und Freaks. Dass diese Pluralität immer wieder die Frage nach dem künstlerischen Eigentum auf ganz prinzipielle Weise aufwirft, macht die Projektanordnung selbst zu einem Experimentierfeld in Sachen erweiterter Kunstbegriff. – Noch dazu, wo die Kette derart selbstständig wurde, dass einzelne AktivistInnen sich bereits selbst für die UrheberInnen halten. Dennoch arbeitet permanent breakfast mit einer klaren Ästhetik, die Teil der “Spielregeln” wurde und die es erlaubt surreale Bilder zu produzieren.
Permanent breakfast ist gleichzeitig: eine Ideenschleuder, eine “Kunst – mach – Maschine”, ein Think-Tank, ein Label unter dem unterschiedliche Besitzungen des öffentlichen Raumes stattfinden. Um nur einige Beispiele zur Nutzunung bzw, Adaptierung der permanent-breakfast Grundidee zu nennen:
Desayuno con Viandantes (Valencia, Spain)
Urban Morgenmad (Denmark)
Desayuno Calle (Puerto Rico)
Anhaltendes Frühstück (Zerbst, Germany)
Trotz seiner Unabhängigkeit fühlt sich das Projekt mit anderen weltweiten “Reclaim the street” Bewegungen verbunden und versteht sich als reales wie virtuelles, als ästhetisches wie diskursives Netzwerk.
Text von Walter Pucher